Heitere Architektur

Wir kennen sie alle, die hochmodernen Bauten in den hippen Gegenden unserer Städte. Idealerweise aus Glas, Stahl und Sichtbeton, in nüchterner Architektur; große schnörkellose Kuben.

Geradlinig und grau. Geradlinig und braun. Geradlinig und streng. …

wie sie der britische Architekt und Autor Sir Peter Cook in seinem aktuellen Artikel „Heitere Architektur – ist wirklich nachhaltig“ für AIT Online beschreibt.

Es ist diese mittlere Generation von Architekten, die garantiert den ganzen Katalog von Nachhaltigkeit, Lichtwerten, Wärmedämmung, Tragfähigkeit abgearbeitet haben.

Als Architektin, die selbst durch diese geradlinig-sachliche und nüchterne Schule der Architektur gegangen ist, kann ich ein Stück weit die Kollegen in Schutz nehmen. Bei all den juristischen und technischen Vorgaben ist es praktischer und im Hinblick auf energetische Vorgaben z.B. zur Wärmedämmung auch praktikabler, bei europäischer Sachlichkeit zu bleiben. Die Umsetzung ist einfacher und zumeist auch wirtschaftlicher. Die meisten Investoren haben kein Interesse an kostspieligen Schnörkeln oder von normierten, einfach und günstig umzusetzenden Formen und Rastern abzuweichen.

… natürlich habe ich gelernt, viktorianischen Ramsch zu verachten, … das rein Dekorative zu vermeiden … und nach „ehrlichen“ Materialien zu suchen. Wir wurden zu „Geradlinigkeit“ ermuntert.

Doch wo bleibt der Mensch dabei?

Sir Peter Cook schreibt in seinem Artikel über die Wohntürme für Studenten in London zum Beispiel:

Darin zu wohnen dürfte sich dann wohl so anfühlen, als wäre man bei der rigorosen und sittenstrengen Tante untergekommen

Wo bleibt neben Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, der Wohlfühlwert?

Wie viele Architekten widmen sich tatsächlich einer Betrachtung des Lebens und der daraus resultierenden Erfordernisse?

Warum gibt es aktuell eine solch große Fangemeinde bei Landhausstil, Shabby-Look & Co. mit dem auf alt getrimmten, unperfekten Look und den geschwungenen Formen und weichen Kanten? Das Menschliche, die Unperfektheit ist im Kommen! Im Grunde hat Sie uns längst eingeholt; sie war immer schon da! Wir sind nicht immer geradlinig, kerben- und dellenlos; ’nobody is perfect!‘.
Und selbst in der Werbung wird „#ImPerfect“ inzwischen propagiert. Kommen wir also weg vom aalglatten, perfekten mit Computer-Programmen optimierten Hochglanz-Look und pflegen und schätzen wir wieder das Unperfekte, die Dellen und Kurven und Schnörkel, die jeden von uns zu dem einzigartigen Menschen machen, der er ist.

Bleibt zu hoffen, dass auch die Architektur diese Aspekte wieder mehr widerspiegelt und sich auf das eigentlich Wesentliche konzentriert: den Menschen und seine Bedürfnisse.
‚Form follows Function‘, ja! Doch hat Funktion auch immer etwas mit dem Menschen zu tun, der sich im und um das Gebäude herum aufhält!
Es braucht hier wieder mehr menschlichere Maßstäbe, mehr Wohlfühlen, mehr Behaglichkeit, mehr ‚Heimeligkeit‘. Es braucht mehr ‚heitere‘ Architektur gegen steigende Depressionen-Zahlen, mehr Dellen und Schnörkel, mehr warme Farben und sanfte Formen als Ausgleich zu der dominierenden kühl-glatten Geradlinigkeit moderner Gebäude. Es braucht mehr wahre Nachhaltigkeit,

…eine Form von Nachhaltigkeit, die uns erheitert, ein Lächeln auf unsere Gesichter zaubert.

 

 

Danke, Sir Peter Cook für die Inspiration zu diesem Beitrag! Ein solcher Artikel in einer der führenden europäischen Architekturzeitschriften ist für mich ein echter Lichtblick und macht Lust, die Entwicklung der Architektur wieder etwas mehr im Auge zu behalten.
Wer mehr lesen möchte, hier der ganze Artikel aus der AIT-Online.

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  • Monika Auer • Raum.Coach